Es ist ein vollkommen langweiliger, verregneter Nachmittag als ich gerade auf meinem Sofa sitze. Tatsächlich tue ich gerade nichts anderes als einfach nur dazu sitzen. Als ich mich mal wieder selbst besuchen kam.
„Hallo, ich hoffe es geht Dir gut.“
„Morgen.“
„Morgen? Du hast doch eine Uhr, es ist doch schon lange nach Mittag.“
„Oh, stimmt, du hast recht. Na dann halt: morgen.“
„Arg. Na gut soll mir auch recht sein. Aber du hast mir ja noch gar nicht geantwortet.“
„Ich dachte, das wäre nicht nötig.“
„Wieso denn das?“
„Ich gehe davon aus, dass es eine rhetorische Frage war.“
„Und warum hältst du es für eine rhetorische Frage?“
„Naja, weil du ja ich bist. Also solltest du es ja wissen, wie es mir geht, also weißt du auch wie es mir geht, da es dir ja genauso gehen muss. Immerhin bist du ja ich.“
„Na gut, aber es hätte ja auch eine Frage aus Höflichkeit sein können. Dann müsstest du zumindest mit einem ‚Gut‘ oder ähnlichem antworten.“
„Das war aber keine Frage aus Höflichkeit.“
„Warum bist du dir da so sicher?“
„Na weil du ich bist.“
„Stimmt auch wieder. Aber dennoch sollten wir uns unterhalten. Was machst du denn gerade?“
„Ich sitze hier.“
„Wie nur sitzen?“
„Ja, einfach sitzen.“
„Aber, du kannst… Oh, ich habe auch Loriot gelesen. Also werde ich nicht weiter nachfragen. Du kannst dir ja bestimmt denken warum ich hier bin, oder?“
„Vermutlich willst du dich mit mir unterhalten.“
„Ja, genau und weißt du auch worüber?“
„Das sollte man eigentlich annehmen, da du ja ich bist. Über die Psychosozialekomponente in den Spätwerken von Franz Kafka?“
„Oh, das wäre natürlich ein gutes Thema, aber deswegen bin ich nicht hier.“
„Das dachte ich mir schon. War aber ein Versuch wert. Also dann mal raus mit der Sprache. Was gibt es denn?“
„Du solltest mal darüber nachdenken, warum du dich immer rechtfertigst.“
„Aber das tue ich doch gar nicht, ich erkläre mich höchstens, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Gegenüber die Sache nicht richtig verstanden hat.“
„Siehst du? Du tust es schon wieder.“
„Oh, jetzt wo du es sagst, stimmt. Aber…“
„Du fängst schon wieder damit an.“
„Mist, da hast du recht. Tut mir leid.“
„Und da sind wir schon bei deinem nächsten Problem, du entschuldigst dich immer.“
„Oh tut mir leid.“
„Du tust es schon wieder. Hör endlich auf dich zu entschuldigen.“
„Oh. Tut mir leid. Es ist nur so, dass… Verdammt ich tue es schon wieder.“
„Ja, stimmt. Und jetzt überlege mal, warum du dich immer rechtfertigst.“
„Hmm… würde ich mich dann aber nicht wieder rechtfertigen?“
„Das stimmt schon, aber du solltest dich dennoch hinterfragen, sonst wirst du nie damit aufhören können.“
„Jetzt rechtfertigst du dich aber.“
„Das tue ich nicht, ich versuche dir nur zu erklären, warum ich will, dass du dein handeln hinterfragst.“
„Jetzt, rechtfertigst du dich, sogar warum du dich rechtfertigst.“
„Was, das stimmt doch gar nicht, ich versuche dir nur, die Situation zu erklären.“
„Wow, eine Rechtfertigung für die Rechtfertigung der Rechtfertigung. Willst du dich hierfür auch noch rechtfertigen?“
„Nein ich denke ja gar nicht dran! Jetzt verdrehst du wieder alles! DAS IST JA FÜCHTERLICH MIT DIR!“
„…“
„SO UND JETZT SAGST DU WIEDER NICHTS! DU GLAUBST WOHL, MIT DEINEM SCHWEIGEN KANNST DU ALLES AUSSITZEN!“
„…“
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Was, oh, nein, ich schalte immer ab, wenn mich jemand anschreit. Und wenn ich mich anschreie, dann höre ich gar nicht mehr zu.“
„Rechtfertigst du dich da nicht gerade wieder?“
„Genaugenommen habe ich mich nicht gerechtfertigt, sondern nur deine Frage beantwortet, so wie jetzt auch.“
„Oh, das stimmt natürlich, aber jetzt mal ehrlich, manchmal rechtfertigst du dich aber auch mal etwas zu viel.“
„Stimmt, so wie du jetzt gerade. Aber da du ja auch ich bist, kannst du mir die Frage ja nun selbst beantworten, warum ich mich immer rechtfertige.“
„Ähm, weil ich damit nur auf eine Frage antworte, wie etwa ein warum…?“
„Das stimmt natürlich nur zum Teil.“
„Wie meinst du dass denn schon wieder.“
„Naja, manchmal machst du das doch auch aus einem anderen Grund.“
„Ich weiß nicht was du meinst? … Oh schon so spät. Ich glaube ich muss dann mal wieder…“
„Ja, ja. Aber keine Angst, du kennst den Grund doch und so schlimm ist er doch auch wieder nicht.“
„Du meinst etwa…“
„Ja genau, den meine ich und jetzt sag es noch, dann hast du es hinter dir.“
„Na gut, wenn du es unbedingt willst. Manchmal rechtfertige ich mich auch, weil mir ein vorhaben selbst nicht überzeugt und wenn ich dann nur den hauch einer Frage spüre, dann rechtfertige ich mich eben. Aber hauptsächlich um ich selbst zu überzeugen, dass es gar nicht so blöd ist.“
„Gut. Und so schlimm war es jetzt ja doch nicht, oder?“
„Nein, war es wirklich nicht, es tut gut mal drüber zu sprechen. Mir ist da gerade noch etwas eingefallen. Nämlich warum das ganze auf Außenstehende manchmal so wirkt, dass ich mich immer rechtfertige. Sie wissen ja nicht, dass ich davon selbst nicht über zeugt bin und mich ja selbst überzeugen will. So wirke ich natürlich unsicher. Dabei bin ich eben einfach nur selbst noch nicht ganz davon überzeugt bin.“
„Genau so ist es. Es tut doch gut darüber zu reden, oder?“
„Ja.“
„Ich finde es auch immer mal wieder schön mich mit dir zu unterhalten. Es ist doch sehr lehrreich. Hast du heute nicht wieder viel gelernt?“
„Halt. Moment. Hätte das Gespräch nicht irgendwie anders verlaufen sollen?“
„Wie meinst du das?“
„Naja, eigentlich, hatte ich dich ja gefragt und du hättest antworten sollen und nicht ich.“
„Bist du dir da sicher? Für mich klingt da so als würdest du dich wieder rechtfertigen.“
„Oh, das tut mir leid. Ich wollte mich eigentlich nicht rechtfertigen.“
„Und jetzt entschuldigst du dich schon wieder vollkommen unnötig. Das machst du nämlich auch sehr häufig. Darüber sollten wir uns auch mal unterhalten.“
„Ähm, tut mir… Verdammt! Jetzt fängst du schon wieder damit an. Das ist ja schrecklich mit dir.“
„Jetzt tu nicht so, dass solltest du doch wissen. Immerhin bin ich ja kein Fremder.“
„Ja, ja. Jetzt gehe ich aber, das wird mir hier echt zu blöd. Das nächste mal läuft das hier aber anders. Das verspreche ich dir.“
„Es war mir wie immer ein vergnügen mich mit mir zu unterhalten. Bis zum nächsten Mal.“
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